NACOA fordert mehr Hilfe für Kinder aus Suchtfamilien

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Interessenvertretung startet bundesweite Aktionswoche -­ Lockdown verstärkt die Bedrohung
in den betroffenen Familien

Mehr Geld für die Online-­Beratung von Kindern und Jugendlichen aus suchtbelasteten
Familien sowie ein insgesamt verbessertes und dauerhaft finanziertes Netz der Hilfe
fordert NACOA Deutschland. Die Zeit des Lockdowns bedeutet eine stärkere Bedrohung
der Kinder und Jugendlichen in den betroffenen Familien. Die Online-­Beratung wurde
stärker nachgefragt als je zuvor. Das Hilfesystem muss nun „krisenfest“ gemacht
werden, forderte die Interessenvertretung für Kinder aus suchbelasteten Familien in
einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband zum
Auftakt einer bundesweiten Aktionswoche vom 14. bis zum 20. Februar 2021.

Knapp drei Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland leben mit mindestens einem
suchtkranken Elternteil zusammen. Auf ihre Situation und die besondere Gefährdung dieser
Kinder und Jugendlichen in der Pandemie macht NACOA Deutschland in einer Aktionswoche
vom 14. bis zum 20. Februar aufmerksam. „Die Lockdowns und Kontaktbeschränkungen der
vergangenen Monate haben die Lage der betroffenen Kinder noch einmal verschärft“, sagte
Corinna Oswald, Vorstandsmitglied bei NACOA Deutschland, auf einer Pressekonferenz am
Freitag. Der Stress in den Familien und auch der Alkohol-­ und Drogenkonsum sei gestiegen.
„Für Kinder aus Suchtfamilien bedeutet dies eine noch stärkere Bedrohung durch die
Folgeerscheinungen der Sucht“, sagte Oswald. Als Beispiele nannte sie das Miterleben und
Erleiden von häuslicher Gewalt, Vernachlässigung und mangelnde Versorgung, wenn
beispielsweise bei geschlossenen Schulen und Kindergärten auch die Essensversorgung
wegfällt.

Zugleich verstärkt die Schließung von Bildungs-­ und Freizeiteinrichtungen und die
Beschränkung von Kontakten die Isolation der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Viele
suchen Hilfe im Internet. Das Online-­Beratungsteam von NACOA wurde in den vergangenen
zwölf Monaten so stark nachgefragt wie noch nie. „Von Februar bis Mai 2020 erreichten uns
insgesamt über 1000 Anfragen per E-­Mail, etwa doppelt so viele wie im Jahr davor“, sagte
Stephanie Bosch von der NACOA-­Online-­Beratung. In den Sommermonaten sei die Zahl
geringfügig mit der Lockerung der Maßnahmen gesunken, im Herbst aber wieder deutlich
gestiegen. Die Pandemiesituation wirke wie ein Brennglas auf die strukturellen Probleme in
suchtbelasteten Familien mit ihren spezifischen Gefahren und Nöten für die betroffenen
Kinder.

Als Konsequenz aus dieser Erfahrung fordert NACOA mehr Geld für spezielle Online-­
Beratungsangebote für Kinder-­ und Jugendliche suchtkranker Eltern. „Das Hilfeangebot muss
krisenfest gemacht werden, damit mehr fachliche Kapazitäten für diese Arbeit vorgehalten
werden können“, sagte Bosch. „Wir müssen weg von dem System einer unsicheren
Projektförderung, hin zu einer Regelfinanzierung.“

Auch Rolf Rosenbrock, Vorstandsvorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes, forderte
mehr Geld für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien.
„Präventions-­ und Hilfestrukturen müssen unter echter Beteiligung der Zivilgesellschaft
aufgebaut und dabei auch bestehende Strukturen und Netzwerke genutzt werden. Ziel muss
es dabei sein, die vielen jetzt schon hervorragend arbeitenden Projekte dauerhaft zu
finanzieren und in die Fläche zu bringen.“

Rosenbrock verwies zudem auf das neue Kinder-­ und Jugendstärkungsgesetz (SGB VIII
Novelle), das derzeit im Bundestag debattiert wird. Für dieses hat eine interministerielle
Arbeitsgruppe auch unter Beteiligung von NACOA und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband
Empfehlungen zur Verbesserung der Situation von Kindern mit psychisch-­ oder suchtkranken
Eltern erarbeitet. „Lediglich ein Teil der 19 empfohlenen Einzelmaßnahmen wurde bisher
zumindest angegangen. Beschlossen oder umgesetzt ist jedoch bisher noch immer nichts“,
kritisierte Rosenbrock. „Es kann nicht sein, dass Politik sich weitere Jahre Zeit lässt, die stille
Not der betroffenen Kinder und Jugendlichen zu lindern.“
Rosenbrock forderte die Bundesregierung unter anderem dazu auf, die vom Parlament
beschlossenen Aufklärungsmaßnahmen sowie die geplante Entstigmatisierungskampagne
bundesweit zu starten. Auch für Corinna Oswald von NACOA stellt die Entstigmatisierung von
Suchtkranken und ihren Angehörigen eine äußerst wichtige Aufgabe dar. „Nur wenn klar wird,
dass es sich bei der Sucht um eine Erkrankung handelt, kann ohne Schuld-­ und Schamgefühle
um Hilfe nachgesucht bzw. diese vorurteilsfrei gewährt werden“. Insofern gehöre das Thema
in die Öffentlichkeit und unbedingt in die Ausbildungspläne von pädagogischen und
medizinischen Berufen.

Mit der Aktionswoche, die am Sonntag (14. Februar) beginnt und zeitgleich auch von NACOA
in anderen Ländern, wie im Vereinigten Königreich, Korea und später auch in der Schweiz
veranstaltet wird, widmet sich NACOA Deutschland dieser Aufgabe. Bundesweit bieten in den
kommenden Tagen Hilfseinrichtungen und Organisationen aus über 50 Städten mehr als 90
Veranstaltungen und Aktionen an. Pandemiebedingt überwiegend in digitalen Formaten
organisieren sie in der kommenden Woche Webinare, Diskussionen, Interviews und kreative
Angebote für Betroffene und Fachkräfte. Mit vielen Angeboten werden Kinder und Jugendliche
direkt angesprochen.

Eine detaillierte Liste mit allen Veranstaltungen und weiteren Informationen zur Aktionswoche
finden Sie unter www.coa-­aktionswoche.de. Über die Situation von Kindern und Jugendlichen
aus suchtbelasteten Familien und die Arbeit von NACOA informieren Sie unsere Website
www.nacoa.de sowie unsere Social-­Media-­Angebote auf Facebook, Instagram und YouTube.
Dort finden sie auch ab dem kommenden Sonntag zur Mittagszeit ein tägliches „Lunchtime-­
Interview“ mit Betroffenen oder Experten zum Thema.

Ansprechpartner für die Presse:
Christina Rubarth, Tel.: 0172/2385550, presse@nacoa.de
Stephan Kosch, Tel.: 0179/6673780, presse@nacoa.de

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