Infos für Profis im Gesundheitswesen
Überblick
1. Entwicklung hin zur Kooperation
2. Das neue KSJG
3. Kinderschutzgruppen
4. Die AG „Kinder psychisch und suchtkranker Eltern“
5. Dokumente, Leitfäden, Infomaterialien
6. Hilfeangebote
7. Weiterbildungsangebote
8. Vernetzung: COA.KOM
9. Literaturtipps
Kaum eine Berufsgruppe hat größere Einflussmöglichkeiten auf suchtbelastete Familien als Menschen, die im Gesundheitswesen tätig sind. Sie sind in der besonders günstigen Lage, Impulse zu geben, die auch die Situation der mitbetroffenen Kinder positiv verändern können.
Durch die besondere Vertrauensstellung, die Sie bei den Patient:innen genießen, haben Sie die Möglichkeit:
- Zuzuhören und Fragen zu stellen
- Gesundheitsprobleme, die mit familiären Suchtproblemen zusammenhängen, zu einem frühen Zeitpunkt zu erkennen
- Die Patient:innen zu unterstützen und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie mit ihren Sorgen ernst genommen werden
- Den Patient:innen und ihren Familien das Wissen zu vermitteln, dass Sucht eine Krankheit ist, die die gesamte Familie beeinträchtigt
- Die Patient:innen und ihre Familien bedarfsgerecht weiterzuvermitteln
Informationen über Alkohol- und Drogenkonsum in der Familie sollten zumindest dann routinemäßig eingeholt werden, wenn Hinweise vorliegen für:
- Dysfunktionen der Familie
- Verhaltensauffälligkeiten oder emotionale Probleme des Kindes
- Schulprobleme
Ferner sollten Mediziner:innen und medizinisches Fachpersonal:
- Sensibel sein für Anzeichen psychiatrischer und verhaltenstypischer Symptome, die Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien aufweisen können
- Den Unterstützungsbedarf der Familie feststellen und an qualifizierte Stellen weitervermitteln (z.B. an Fachstellen für niedergelassene oder stationäre Kinder- und Jugendpsychiatrie oder –psychotherapie, Suchthilfe, Erziehungsberatung, Suchtselbsthilfe)
- Veränderungsbereitschaft in der Familie fördern
- Fähig sein, entlastende Botschaften zu vermitteln
1. Entwicklung hin zur Kooperation
In den letzten Jahren ist die Notwendigkeit der Kooperation zwischen dem medizinischen System, der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Suchthilfe immer mehr in den Fokus gerückt. Aktuelle Forschungsergebnisse* zeigen, dass spezialisierte und kooperative Hilfeleistungen für suchtbelastete Familien deutlich wirksamer sind als nichtspezialisierte Hilfeleistungen innerhalb der Regelversorgung. Insbesondere gilt dies für Hilfeleistungen, an denen Fachkräfte des medizinischen Systems und der Suchthilfe beteiligt sind. Vorteile von Kooperationen dieser Art bestehen unter anderem in der Möglichkeit der koordinierten Fallarbeit durch abgestimmtes Planen und Handeln, der effektiveren Erreichung der Zielgruppe, der gemeinsamen Konzipierung und Umsetzung von Hilfeangeboten für Familien, verbessertem fachlichen Austausch/Beratung sowie der Entlastung des Arbeitsalltags durch abgestimmtes Handeln und klare Zuständigkeiten.
Insgesamt stellt der multiprofessionelle Kinder- und Jugendschutz eine erhebliche Verbesserung in der Versorgungslandschaft dar und wirkt sich auch positiv auf Fragen des präventiven Kinderschutzes aus.
*Abschlussbericht Steuerungswissen und Handlungsorientierung für den Aufbau effektiver interdisziplinärer Versorgungsnetzwerke für suchtbelastete Familien (IKJ) – er findet sich unter: „Dokumente, Leitfäden, Infomaterialien“
2. Das neue KSJG
Schon gewusst?
Seit dem 10. Juni 2021 ist das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) in Kraft getreten.
Für einen wirksamen Kinder- und Jugendschutz wird das Gesundheitswesen stärker in die Verantwortung miteinbezogen. Aufgrund des Inkrafttretens des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes wurden entsprechende Änderungen innerhalb der Kinderschutzleitlinie als auch in den Zusatzmaterialien wie der Kitteltaschenkarte zum Vorgehen nach § 4 KKG vorgenommen.
Mittlerweile haben Ärzt:innen und anderes medizinisches Fachpersonal die Pflicht, Anzeichen von Kindeswohlgefährdung zu melden. Wann diese Pflicht besteht und wie vorzugehen ist, können Sie hier nachlesen:
Rechtliche Grundlagen zur Meldepflicht bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung
(nach § 4 KKG)
Werden Ärzt:innen, medizinisches Fachpersonal, Psycholog:innen und viele andere Berufsgruppen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Anhaltspunkte für eine mögliche Kindeswohlgefährdung bekannt, so sollen sie mit dem Kind oder Jugendlichen sowie den Erziehungsberechtigen die Situation erörtern. Sie sollen dabei, sofern erforderlich, bei den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfe hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes/Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.
Die oben angeführten Berufsgruppen haben zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine Fachkraft und sind zu diesem Zweck befugt, dieser Fachkraft die erforderlichen Daten pseudonymisiert zu übermitteln.
Ist eine Abwendung der Gefahr durch das Besprechen mit dem Kind bzw. dem:der Jugendlichen und den Erziehungsberechtigten nicht möglich oder erfolglos, haben oben genannte Berufsgruppen die Befugnis, das Jugendamt zu informieren. Die Betroffenen sind hierauf hinzuweisen, sofern dies den wirksamen Schutz des Kindes oder des:der Jugendlichen nicht in Frage stellt.
Wenn nach der Einschätzung der oben genannten Berufsgruppen eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des:der Jugendlichen das Tätigwerden des Jugendamt erfordert, soll das Jugendamt unverzüglich informiert werden.
Wird das Jugendamt von einer Person der oben genannten Berufsgruppen informiert, soll diese Person zeitnah eine Rückmeldung erhalten. Das Jugendamt soll darin mitteilen, ob es die Anhaltspunkte für die Kindeswohlgefährdung bestätigt sieht und ob es zum Schutz des Kindes oder der:des Jugendlichen tätig (geworden) ist.
3. Kinderschutzgruppen
Als Anlaufstelle für Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung dienen auch Kinderschutzgruppen, die in Krankenhäusern angesiedelt sind. Dort finden sich Ansprechpersonen, die sich meist aus einem interdisziplinären Team zusammensetzen.
Hier finden Sie alle Kinderschutzgruppen auf einen Blick:
Alle Kinderschutzgruppen auf einen Blick — DGKiM
4. Die AG „Kinder psychisch- und suchtkranker Eltern“
Im März 2018 wurde von der damaligen Bundesregierung die interdisziplinär besetzte Arbeitsgruppe „Kinder psychisch- und suchtkranker Eltern“ (KpsE) konstituiert, um Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Situation betroffener Kinder und Jugendlicher zu erarbeiten.
Der Abschlussbericht der AG KpsE
Gemäß den Empfehlungen des Abschlussberichtes der „Arbeitsgruppe Kinder psychisch- und suchtkranker Eltern“ (Februar 2020) obliegt es vor allem dem GKV-Bündnis für Gesundheit, kommunale Angebote für Kinder und Jugendliche psychisch kranker und suchtkranker Eltern ins Leben zu rufen bzw. bei den Kommunen darauf hinzuwirken, dass solche ins Leben gerufen werden.
Der Abschlussbericht kann hier eingesehen werden.
Die verschiedenen Ausfertigungen können hier heruntergeladen werden.
Unterstützt wird dieses Vorhaben vom Handlungsrahmen der GKV. Der Handlungsrahmen stellt interessierten und engagierten Fachkräften der gesetzlichen Krankenkassen, der Kommunen sowie der Gesundheitsversorgung wesentliche Informationen und Hinweise für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zur Verfügung.
5. Dokumente, Leitfäden, Infomaterialien
Leitfaden für Ärzt:innen sowie Mitarbeiter:innen im Gesundheitswesen
Wie im Gesundheitswesen arbeitende Personen Kinder aus suchtbelasteten Familien unterstützen können – dazu können Sie hier den ausführlichen Leitfaden „Hilfe für Kinder aus suchtbelasteten Familien - Ein Leitfaden für Ärztinnen und Ärzte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen“ (2011) herunterladen.
Der Leitfaden enthält u.A. Informationen über den konkreten Umgang mit Kindern und Eltern aus suchtbelasteten Familien und Hilfsmaterialien, die in der Praxis verwendet werden können.
Der Leitfaden kann hier bestellt werden.
Der Leitfaden „Präventiver Kinderschutz bei Kindern psychisch und suchtkranker Eltern“ (2020) der Deutschen Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin richtet sich an Fachkräfte im Gesundheitswesen mit dem Ziel, die Möglichkeiten eines präventiven Handelns im Kontext psychisch und suchtkranker Eltern im Gesundheitswesen darzustellen und damit den Beschäftigten in unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitswesens Ideen und Handwerkszeug an die Hand zu geben.
Außerdem bietet der Leitfaden Unterstützung bei der Entwicklung interdisziplinärer, individueller Konzepte und Vorgehensweisen.
Die Berliner Charité und die Drogenhilfe vista haben gemeinsam "Handlungsempfehlungen zum Umgang mit suchtbelasteten Schwangeren und werdenden Familien in geburtshilflichen Kliniken" (2017) herausgegeben.
Handlungsempfehlungen der Charité.
Welche Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention bei Neugeborenen von suchtkranken Eltern nötig und hilfreich sind, darüber informiert der Handlungsleitfaden „Gesundheitsförderung und Prävention rund um die Geburt in Berlin“ (2015) von Gesundheit Berlin e.V.
Über den Handlungsrahmen für eine Beteiligung der Krankenkassen im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention informieren die Publikationen des GKV-Bündnis für Gesundheit:
Zur Vertiefung der Notwendigkeit einer besseren Kooperation zwischen dem medizinischen System, der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Suchthilfe sei auf folgenden Bericht verwiesen:
Abschlussbericht Steuerungswissen und Handlungsorientierung für den Aufbau effektiver interdisziplinärer Versorgungsnetzwerke für suchtbelastete Familien“ (Herausgegeben 2022 vom IKJ)
Autor:innen: Niklas Helsper, Kim Kemner, Jens Arnold, Monika Feist-Ortmanns
Infomaterialien
Die DHS (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen) stellt verschiedene, kostenlose Infomaterialien zum Thema „Kinder aus suchtbelasteten Familien“ bereit:
Für oder zum Thema Kinder im Vorschul- und Grundschulbereich:
Comic „Mia, Mats und Moritz ..und ihre Mama, wenn sie wieder trinkt“ (2023): Die Geschichte von Mia, Mats und Moritz erzählt kindgerecht von den Alltagsproblemen einer Familie mit einem suchtkranken Elternteil. Geeignet für Kinder im Vorschul- und Grundschulalter.
Begleitmaterial
Für oder zum Thema Jugendliche:
„Luis und Alina – Tagebuch“ (2022): Der Vater von Luis und Alina trinkt. Das bestimmt den Familienalltag. Die beiden erzählen davon in ihren Tagebüchern. Ein Heft für Kinder und Jugendliche zwischen 10-15 Jahren.
Begleitmaterial
Allgemeine Broschüre zum Thema Suchterkrankung in der Familie:
„Suchtprobleme in der Familie“ (2019): Informationen und Praxishilfen für Fachkräfte und Ehrenamtliche im Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen
6. Hilfeangebote
Fachliche Beratung bei NACAO Deutschland
Unser Beratungstelefon: Unter der Nummer 030 / 35 12 24 29 steht Ihnen dienstags von 10-12 ein:e Berater:in zur Verfügung. Außerhalb dieser Sprechzeit können Sie über den Anrufbeantworter einen Termin anfragen.
Unsere E-Mail-Beratung: Über unsere virtuelle Beratungsstelle können Sie jederzeit ihre Anliegen und Fragen an unser Beratungsteam richten, das Ihnen dann zeitnah per E-Mail antwortet. Zur E-Mailberatung geht es hier.
Beratung für Kinder und Jugendliche
Möchten Sie betroffenen Kindern und Jugendlichen etwas an die Hand geben, dann verweisen Sie bitte auf:
Das NACOA-eigene Online-Beratungsangebot in Form von Einzel- und Gruppen-Chats, Gruppenchat am Dienstag von 18-20 Uhr finden Sie hier.
Infoseite TRAU DIR
Entsprechende Trau-Dir-Flyer können über NACOA bezogen werden
KidKit ist ein weiteres Online-Beratungsangebot, das auch Kinder psychisch kranker Eltern adressiert
Die Landing-Page HilfenimNetz vereint die Angebote von NACOA und KidKit
7. Weiterbildungsangebote
Beachten Sie bitte auch die Auflistung von Weiterbildungsangeboten zum Thema COAs auf dieser Website.
8. Vernetzung: COA.KOM
Möchten Sie sich mit uns und anderen Akteur:innen zum Thema Kinder aus suchtbelasteten Familien austauschen und vernetzen?
Melden Sie sich kostenfrei auf unserer Kommunikationsplattform COA.KOM an und nutzen Sie die Möglichkeiten, ins Gespräch zu kommen, über Themen wie z.B. die Finanzierung von Angeboten für betroffene Kinder, Methoden in der Arbeit mit den Betroffenen und Qualitätssicherung zu diskutieren und Ihr eigenes Angebot vorzustellen.
Zusätzlich haben sie im Rahmen der Registrierung die Möglichkeit, Ihr Angebot rund um die Themen suchtbelastete Familien und FASD für alle Zielgruppen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene Kinder, Eltern, Fachkräfte) auf unserer digitalen Landkarte einzutragen. Somit können Sie - durch diese Übersicht auf der Website von NACOA - von Hilfesuchenden auch gut gefunden werden.
9. Literaturtipps
Hier finden Sie neben Fachbüchern auch Bücher für Kinder und Jugendliche, für Eltern, weiterhin Romane und Autobiografien und spezielle Fachbücher zum Thema FASD.