Kontroverse in Thüringen: Ohne finanzielle Unterstützung der Länder keine präventive Arbeit für COAs vor Ort

ERFURT / ALTENBURG - In Thüringen ist eine Kontroverse über die Finanzierung von Hilfeprojekten für Kinder aus Suchtfamilien entbrannt. Ausgangspunkt ist ein Appell, mit dem sich Sozial- und Gesundheitsministerin, Heike Werner (DIE LINKE), am 1. März an alle verantwortlichen Entscheidungsträger/innen in den Landkreisen, kreisfreien Städten und Kommunen gewandt hatte, um Kinder aus suchtbelasteten Familien noch stärker in den Blick zu nehmen (Download hier). Darin hatte sie u.a. dazu aufgerufen, die Zusammenarbeit von Suchthilfe, Jugendhilfe, Psychiatrie und Gesundheitswesen  in Kommunen und Kreisen zu verstärken sowie regelfinanzierte, niedrigschwellige Angebote für Kinder aus Suchtfamilien im Freistaat flächendeckend aufzubauen.

Kritischen Widerhall fand der Appell der Ministerin, der allen Kreisräten vorliegt, vom Kreistagsfraktionschef der CDU im Kreistag Altenburg, Frank Tanzmann: „Frau Werner sollte nicht so viele Appelle versenden, sondern die Kommunen bei der Suchtprävention finanziell besser ausstatten", sagte Tanzmann der Lokalredaktion der Leipziger Volkszeitung: Er leitet seit vielen Jahren auch den Jugendhilfeausschuss, der sich gerade diesem Thema besonders verschrieben hat. Auch aus diesem Grund gibt es im Altenburger Land bereits eine Stelle für Suchtprävention, deren Mitarbeiterin zum Beispiel in Kindergärten und Schulen aktiv ist. „Daher kennen wir die Probleme gerade in der Suchtprävention genau“, erklärt Tanzmann. Und deswegen brauche der Landkreis auch eine zweite Stelle, die er aber allein nicht finanzieren könne. Er beklagt, dass das Land den Landkreis nicht auskömmlich finanziere und die Drogenprävention nicht ausreichend fördere. In einer solchen Situation Appelle für mehr Engagement in der Suchtprävention umherzuschicken, sei da schon sehr merkwürdig, sagte der Unionspolitiker. Mehr

Die Finanzierung von präventiven Angeboten für Kinder aus suchtbelasteten Familien ist bis heute gesetzlich nicht geregelt, weswegen Ministerin Werner in ihrem Appell auch die Schaffung von bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen und gesetzlichen Grundlagen für regelfinanzierte und bedarfsgerechte Angebote gefordert hatte. Genau an diesen Fragestellungen arbeitet derzeit die vom Deutschen Bundestag eingesetzte Arbeitsgruppe „Kinder psychisch- und suchtkranker Eltern“, die Empfehlungen für die Bundesregierung erarbeitet, wie ein regelfinanziertes und flächendeckendes Hilfesystem zu gestalten ist.

Wie stark die ungeregelte Finanzierungsfrage den Aufbau von Hilfen für Kinder aus suchtbelasteten Familien behindert, zeigte vor einem Jahr – ebenfalls in Thüringen – die drohende Schließung des Gruppenangebotes „Regen und Sonne“ im Saale-Orla Kreis. Während der Kreis pro Jahr 1,7 Millionen Euro dafür ausgeben musste, dass Kinder aufgrund der Suchtbelastung ihrer Eltern in verschiedene Hilfeformen gegeben werden mussten, drohte das präventive Gruppenangebot „Regen und Sonne" an 20.000 Euro zu scheitern, die dem Kreis zur Finanzierung einer halben Personalstelle fehlten. Das grundlegende Problem lag darin, dass es für die präventive Arbeit mit Kindern von suchtkranken oder psychisch kranken Eltern keine finanzielle Hilfe vom Land gibt.

Nach Einschätzung von NACOA Deutschland zeigt die Kontroverse in Thüringen einen entscheidenden Knackpunkt - auch bundesweit: Damit präventive Arbeit für Kinder von Suchtkranken vor Ort flächendeckend stattfinden kann, müssten die Kommunen dazu finanziell in die Lage versetzt werden. Dies setzt seitens der Länder eine auskömmliche finanzielle Ausstattung der kommunalen Prävention über die Jugendhilfebudgets voraus. Zusätzlich bedarf es der Beteiligung anderer Kostenträger wie z.B. der Krankenkassen und der Rentenversicherungsträger an der Finanzierung von Regelangeboten für Kinder suchtkranker Eltern vor Ort. Für einen solchen Finanzierungsmix wird eine verbindliche bundeseinheitliche Regelung benötigt. Im Interesse der ca. drei Millionen betroffenen Kinder in Deutschland wäre es, wenn Fachpolitiker jeglicher politischen Couleur auf Bundes-, Länder und Gemeindeebene für dieses Ziel an einem Strang ziehen.

Quelle: Leipziger Volkszeitung und Bericht von NACOA

 

Vergleiche: NACOA-Neuigkeiten vom 2.4.2019

Scroll to top