COA-Aktionswoche 2023 gestartet

Ein stärkeres gemeinsames Engagement gegen die Stigmatisierung von Kindern suchtkranker Familien und ihrer Eltern haben sich Vertreter*innen aus Politik, Forschung und Fachkräfte aus der sozialen Arbeit vorgenommen.

Bei der Auftaktveranstaltung zur diesjährigen bundesweiten COA-Aktionswoche unter dem Motto #schlussmitdemstigma verwies Ulrike Bahr (SPD), Vorsitzende des Familienausschusses im deutschen Bundestag, darauf, dass eine entsprechende Kampagne schon lange vereinbart und auch in den aktuellen Koalitionsvertrag aufgenommen worden sei. Bisher sei das Thema Entstigmatisierung von Abhängigkeitserkrankungen aber auch aufgrund der Pandemie "unzureichend verfolgt worden." "Der Bundestag wird diesen Forderungen nochmal Nachdruck verleihen müssen", sagte Bahr.

Dazu sei es aber auch nötig, dass dem Thema immer wieder neu Aufmerksamkeit verliehen werde, so wie es während der COA-Aktionswoche geschehe. Diese findet, organisiert von NACOA Deutschland, vom 12. bis 18. Februar nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern statt. Bundesweit widmen sich über 100 Veranstaltungen der Situation von Kindern und Jugendlichen, die mit suchtkranken Eltern aufwachsen. Jedes fünfte Kind in Deutschland ist betroffen, aktuell schätzungsweise drei Millionen. Sechs Millionen Erwachsene sind in einer suchtbelasteten Familie aufgewachsen, zwei Drittel von Ihnen entwickeln in ihrem Leben selber eine Sucht oder andere psychische Krankheiten. 

Viele von Ihnen leiden auch unter den Stigmatisierungen von Suchtkranken und ihren Angehörigen. "Das Suchtstigma gehört zu den am schlimmsten ausgeprägten Stigmata", sagte Sven Speerforck, Psychiater und Psychotherapeut an der Uniklinik Leipzig auf der Auftaktveranstaltung via Zoom am Freitag (10.02.). Nur jeder zweite Deutsche würde Sucht überhaupt als Erkrankung sehen, vielen Suchtkranken werde Charakterschwäche oder fehlende Willensstärke unterstellt. Um diesem Stigma aus dem Weg zu gehen, werde die Krankheit nicht thematisiert, was in den betroffenen Familien zu Tabuisierungen und großen Dilemmata führe. Speerforck räumte ein, dass die deutschen Psychiatrien wahrscheinlich "noch zu wenig eingehen auf die Bedürfnisse im Umfeld." Deswegen sei es wichtig, dass es Vereine und Initiativen gebe, die sich an dieser Stelle engagieren. 

Christina Reich, Vorstandsmitglied bei NACOA Deutschland und selbst Kind aus einer suchtbelasteten Familie, bekräftigte die Bedeutung der Aufklärung über Suchterkrankungen bei den betroffenen Kindern, "damit sie die Sucht verstehen, und ein Verständnis für ihre Eltern entwickeln." Es sei aber sehr schwierig, diese Kinder zu erreichen, es fehle in der Regel eine Schnittstelle. Kitas und Schulen könnten eine solche Schnittstelle sein. Aber es gebe weiterhin Defizite beim Umgang mit elterlicher Suchterkrankung in der Schule, die etwa in der Ausbildung von pädagogischen Fachkräften kaum eine Rolle spiele. 

Die Bundestagsabgeordnete Linda Heitmann (Bündnis 90/Die Grünen) verwies darauf, dass das Bundesgesundheitsministerium derzeit die Förderung mehrerer Entstigmatisierungsprojekte vorbereite. Dazu gehört auch eine bundesweite Internetplattform, über die Kinder und Erwachsene schnell Ansprechpartner*innen finden, wenn ihre Eltern abhängig sind, psychisch krank oder sie selber Gewalt in der Familie erfahren. NACOA Deutschland arbeitet bereits mit KidKit aus Köln intensiv an diesem Projekt. Eine gemeinsame Landing-Page soll noch im Rahmen der diesjährigen Aktionswoche vorgestellt werden.

Hinweis: Die Auftaktveranstaltung wurde aufgezeichnet und ist über den YouTube-Kanal von NACOA Deutschland unter folgendem Link abrufbar.

Weitere Informationen zur COA-Aktionswoche finden Sie auf coa-aktionswoche.de. Der Schirmherr ist in diesem Jahr der Sänger Max Mutzke, der selbst COA ist.

Rückfragen bitte an Stephan Kosch unter 0179/6673780 oder kosch@nacoa.de

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