22.04.15 Berlin: Viel Kritik von Sachverständigen am Präventionsgesetz

Das von der Bundesregierung vorgelegte Präventionsgesetz wird von Gesundheits- und Sozialexperten im Grundsatz begrüßt, allerdings als nicht weitreichend genug bewertet. Gesundheitsförderung und Vorbeugung müssten als Querschnittsaufgabe verstanden und in allen Gesellschaftsbereichen gezielt verankert werden, gaben Sachverständige bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Vorsitz von Dr. Edgar Franke (SPD) am Mittwoch, 22. April 2015, im Bundestag sowie in ihren schriftlichen Stellungnahmen zu bedenken.

Präventionsgesetz ist allenfalls ein erster Schritt hin zu notwendigem Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik

So bewertet der Einzelsachverständige Ulf Fink das Gesetz allenfalls als ersten Schritt hin zu einem notwendigen Paradigmenwechsel in der deutschen Gesundheitspoliitik. Die Prävention müsste nach Auffassung von Fink zu einer starken Säule des Gesundheitswesens neben Curation, Rehabilitaltion und Pflege werden. Anders sei der großen Gesundheitsorobleme Übergewicht, Nikotin- und Alkoholmissbrauch sowie Bewegungsarmut nicht Herr zu werden. Im Hinblick auf die notwendige gesamtgesellschaftliche Verankerung sei das vorliegende Gesetz ein begrüßenswerter erster Schritt, dem aber nach Einschätzung von Fink weitere gesetzgeberische Schritte folgen müßten. Dabei müsse klar sein, dass Prävention nicht alleinige Aufgabe der Krankenkassen sei.

Gesundheitsziel "Alkoholkonsum reduzieren" ist derzeit nicht im Gesetz verankert

Befragt nach den im Gesetz genannten Gesundheitszielen äußerte sich Ulrike Elsner vom Verband der Ersatzkassen (vdek) kritisch. Der im Gesetz enthaltene Verweis auf die Gesundheitsziele des Kooperationsverbundes Gesundheitsziele.de sei zu statisch und führe dazu, dass z.B. das derzeit bei Gesundheitsziele.de in Bearbeitung befindliche wichtige Ziel "Alkoholkonsum reduzieren" ohne ein weiteres Gesetzgebungsverfahren nicht in den Zielekanon des Präventionsgesetzes aufgenommen werden könnte. Elsner schlug vor, in das Gesetz die Möglichkeit einer flexiblen Aufnahme von neuen Gesundheitszielen und Erkenntnissen auf dem Verordnungsweg einzubauen.

Der Paritätische Gesamtverband kritisiert in seiner schriftlichen Stellungnahme: "Suchtmittelkonsum und die Abhängigkeit von Drogen werden lediglich marginal und oberflächlich in dem Gesetzentwurf aufgegriffen. Da der Konsum legaler und illegaler Drogen jedoch einen großen Anteil an der Entwicklung chronischer Erkrankungen hat, muss es ein wesentliches Ziel eines Präventionsgesetztes sein, den Konsum von Suchtmitteln zu reduzieren. (...) Der Paritätische Gesamtverband fordert deshalb, dass in dem Gesetzestext zumindest die Reduzierung des Alkholkonsums zu einem expliziten Gesundheitsziel erklärt wird."

Besondere Bedeutung von Prävention für die Gesundheit von Kindern

Auf die vielen psychischen Erkrankungen verwies der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten. Kinder verdienten dabei wegen der Langzeitfolgen besondere Aufmerksamkeit. Die Gesundheitsuntersuchungen für Kinder sollten entsprechend ausgeweitet werden.

Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin wäre es optimal, wenn die Gesundheitsförderung in den Alltag der Kitas und in die Rahmenpläne der Schulen eingebunden würde, darunter auch in Fragen der Ernährung, Bewegung, Unfallprävention sowie Schutz vor Lärm und Schadstoffen.

Kritik an finanzieller Nichtbeteiligung der Privaten Krankenkassen und an Finanzierung der BzgA durch Beitragszahler

Scharf kritisiert werden auch die aus Expertensicht unzureichende Einbindung der privaten Krankenversicherung (PKV) in das Gesetzesvorhaben sowie die herausgehobene Rolle der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA). So argumentierte der Verband der Ersatzkassen, die geplanten 35 Millionen Euro pro Jahr für Beratungs- und Unterstützungsleistungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung seien überdimensioniert. Problematisch sei zudem, wenn ein Vertragspartner vorgeschrieben werde, bei dem es sich um eine nachgeordnete Behörde des Bundesgesundheitsministeriums handele. Der AOK-Bundesverband äußerte, dass die im Präventionsgesetz vorgesehene Mitfinanzierung der BzgA durch die gesetzliche Krankenversicherung und somit aus Beitragsmitteln der Versicherten aus ihrer Sicht einen Verstoß gegen das Grundgesetz darstellt.

Prävention soll da ansetzen, wo Menschen leben, lernen und arbeiten. Verdoppelung der Mittel

Die Reform ist an sogenannten Lebenswelten orientiert, Gesundheitsförderung und Prävention sollen auf jedes Lebensalter und in alle Lebensbereiche ausgedehnt werden. Die Leistungen der Krankenkassen zur Prävention und Gesundheitsförderung werden ab 2016 mehr als verdoppelt auf sieben Euro je Versicherten pro Jahr. Zusammen mit dem Beitrag der Pflegekassen stehen künftig rund 511 Millionen Euro im Jahr für präventive und gesundheitsfördernde Leistungen bereit.

Quelle: Deutscher Bundestag und Nachricht von NACOA Deutschland
Das NACOA-Positionspapier zum Präventionsgesetz finden Sie hier

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