18.02.12 Düsseldorf/Berlin/Hamburg: Presserklärung zum Ende der Aktionswoche

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Die dritte deutschlandweite Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien ist mit 50 Veranstaltungen und zahlreichen Aktionen in 38 deutschen Städten erfolgreich verlaufen. Viele interessierte Fachleute, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, nutzten die zahlreichen Informationsveranstaltungen, um sich über Unterstützungsmöglichkeiten für Kinder suchtkranker Eltern zu informieren. Die Veranstalter berichteten über rege Nachfrage und intensive Gespräche. Die Angebote der Aktionswoche umfassten u. a. Tage der offenen Tür, Fachvorträge, Fortbildungen, Presseveranstaltungen, Lesungen, Filmvorführungen, Spielangebote und Outdoor-Aktivitäten für Kinder. Organisiert wurden die Veranstaltungen überwiegend von lokalen Hilfeprojekten für betroffene Kinder, die im Rahmen der Aktionswoche auf Ihre Arbeit aufmerksam machen und die Sensibilität für Kinder suchtkranker Eltern erhöhen wollten. Zahlreiche regionale Medien berichteten über die Veranstaltungen.

Auftakt der Aktionswoche war die von NACOA Deutschland in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Landesstelle Berlin für Suchtfragen durchgeführte Strategiekonferenz „Räume des Vertrauens schaffen“, zu der 170 Teilnehmer/innen aus Deutschland, Österreich, Polen, Luxemburg und den USA nach Berlin kamen. In rund 50 Arbeitsgruppen wurden verschiedenste Aspekte des Themas Kinder suchtkranker Eltern bearbeitet. Die Teilnehmer/innen verabredeten sich zu 26 Vorhaben, die nach der Konferenz weiter verfolgt werden sollen. Auf großes Interesse stießen die Arbeitsgruppen der amerikanischen Expertin Ellen Morehouse, die auf der Konferenz von ihren Erfahrungen aus mehr als 30 Jahren Arbeit mit Kindern aus Suchtfamilien im Kontext von Schule berichtete.
Einstimmig verabschiedeten die Teilnehmer/innen der Konferenz die 10 Eckpunkte  zur Verbesserung der Situation von Kindern aus suchtbelasteten Familien“ neu. Die 10 Eckpunkte wurden ursprünglich auf einer Fachtagung der Bundesdrogenbeauftragten im Dezember 2003 in Berlin verabschiedet. Da die darin formulierten Forderungen unverändert gültig und von ihrer Umsetzung auch über acht Jahre nach ihrer Verabschiedung großenteils weit entfernt sind, wollten die Teilnehmer/innen der Strategiekonferenz dieses politische Dokument wieder in Erinnerung rufen und die Dringlichkeit ihrer Umsetzung unterstreichen.

Kinder aus suchtbelasteten Familien sind die größte bekannte Risikogruppe für Sucht und tragen weitere gravierende Gesundheitsrisiken. Ca. jedes sechste Kind in Deutschland lebt mit suchtkranken Eltern zusammen. Die Kinder erhalten in der Regel keine Hilfe und Unterstützung. Die Aktionswoche will dazu beitragen, ihre Situation ans Licht der Öffentlichkeit zu tragen und Hilfeangeboten für die Kinder Gelegenheit geben, ihre Arbeit öffentlich bekannt zu machen.

  

10 Eckpunkte zur Verbesserung der Situation von Kindern aus suchtbelasteten Familien

In Deutschland leben über 2,5 Mio. Kinder unter 18 Jahren, die mit mindestens einem suchtkranken Elternteil aufwachsen. Diese Kinder leiden häufig unter kognitiven Einschränkungen sowie sozialen, psychischen und körperlichen Belastungen. Zudem leben sie mit einem erhöhten Risiko, später selbst suchtkrank zu werden. Die Verbesserung ihrer Situation ist eine Zukunftsaufgabe - für die betroffenen Kinder, ihre Familien und für die Gesellschaft.

-Kinder aus suchtbelasteten Familien haben ein Recht auf Unterstützung und Hilfe, unabhängig davon, ob ihre Eltern bereits Hilfeangebote in Anspruch nehmen.

-Den Kindern muss vermittelt werden, dass sie keine Schuld an der Suchterkrankung der Eltern tragen. Sie brauchen eine altersgemäße Aufklärung über die Erkrankung der Eltern und bestehende Hilfeangebote.

-Die Zusammenarbeit zwischen den Hilfesystemen, insbesondere der Suchtkrankenhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe und den medizinischen Diensten, muss optimiert werden. Um wirkungsvolle Interventionen zu erreichen, muss arbeitsfeldübergreifend kooperiert werden. Lehrer, Erzieher, Ärzte, Sozialarbeiter, Psychologen und Pädagogen müssen verbindlich zusammen arbeiten. Das Ziel ist, betroffene Kinder und Eltern frühzeitig zu erkennen und die ihnen angemessene Unterstützung anzubieten.

-Die Öffentlichkeit muss über die Auswirkungen von Suchterkrankungen auf Kinder und Familien informiert werden. Eine sensibilisierte Öffentlichkeit erleichtert es Eltern, die Sucht als Krankheit anzunehmen. So wird den Kindern der Weg geebnet, Unterstützung zu suchen und anzunehmen.

-Das Schweigen über Suchterkrankungen muss beendet werden. Es muss ein Klima geschaffen werden, in dem betroffene Eltern und Kinder Scham- und Schuldgefühle leichter überwinden und Hilfe annehmen können. Kinder leiden unter Familiengeheimnissen.

-Auch Suchtkranke wollen gute Eltern sein. Suchtkranke Eltern brauchen Ermutigung und Unterstützung bei der Wahrnehmung ihrer Elternverantwortung. Das Wohl der Kinder muss bei diesen Bemühungen im Mittelpunkt stehen.

-Die familienorientierte Sichtweise erfordert eine gemeinsame innere Haltung der beteiligten Helfer. Sie muss Grundlage aller Angebote und Interventionen sein.

-Bei Kindern, deren Familien sich gegen Hilfeangebote verschließen, kann zum Schutz der Kinder im Einzelfall auch eine Intervention gegen den Willen der Eltern erforderlich werden.

-Schule und Kindertagesstätte sind zentrale Lebensräume für Kinder aus suchtbelasteten Familien. Sie müssen dort mit der erforderlichen Aufmerksamkeit frühzeitig erkannt werden. Gemeinsam mit den Eltern müssen Hilfeangebote vermittelt werden.

Das Wissen über die Entstehung von Suchterkrankung sowie die Auswirkungen auf Kinder und Familien muss verpflichtend in die Ausbildung der pädagogischen, psychologischen und medizinischen Berufsgruppen aufgenommen werden. So wird das Bewusstsein der Problematik in den jeweiligen Fachdisziplinen frühzeitig gefordert und langfristig eine gesellschaftliche Einstellungsveränderung gefördert.

Vereinbart auf der Fachtagung „Familiengeheimnisse - Wenn Eltern suchtkrank sind und die Kinder leiden“, 04. und 05. Dezember 2003 im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Berlin

 

 

Nachricht von NACOA

 

 

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