09.02.15 Hamburg/ Berlin/ Düsseldorf: Presseerklärung zur sechsten Aktionswoche

 

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Zur sechsten bundesweiten Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien werden in diesem Jahr 78 Veranstaltungen und 20 Aktionen in über 50 deutschen Städten stattfinden. In der Aktionswoche treten Hilfeprojekte für Kinder suchtkranker Eltern aus Suchthilfe, Suchtselbsthilfe und Jugendhilfe an die Öffentlichkeit, um auf die Situation der ca. 2,65 Millionen betroffenen Kinder in Deutschland aufmerksam zu machen und das Signal in die Öffentlichkeit zu geben: Sucht ist keine Schande, Sucht ist eine Krankheit. Und: Es gibt Hilfe für Familien mit Sucht­pro­blemen.

Ca. jedes sechste Kind in Deutschland wächst mit suchtkranken Eltern auf. Sie sind die größte bekannte Risikogruppe für eine eigene Suchterkrankung und lebenslang hoch­ge­fähr­det für psychische Krankheiten sowie soziale Störungen. Kinder aus Suchtfamilien sind noch immer vergessene Kinder, die durch die Maschen der bestehenden Hilfesysteme allzu oft hindurchrutschen.


Der Gesetzgeber ignoriert eines der gravierendsten
Gesundheitsprobleme in Deutschland: Alkoholabhängigkeit

Neben der Sensibilisierung vor Ort in den Städten und Landkreisen verfolgt die Aktionswoche in diesem Jahr auch eine bundespolitische Zielsetzung: Die Initiatoren der Aktionswoche kritisieren das Präventionsgesetz in der vom Bundeskabinett verabschiedeten Form. Das Gesetz enthält kaum Ansatzpunkte, die die Situation von Kindern aus Suchtfamilien verbessern würden. Präventive Hilfeprojekte für die Kinder hätten nach wie vor keinerlei Anspruch auf Regelfinanzierung. Auch spart das Gesetz im Katalog der zu erreichenden Gesundheitsziele die Reduzierung des Alkoholkonsums aus und ignoriert somit eines der gravierendsten und kosteninten­sivsten Gesundheitsprobleme in Deutschland.

Milliardenschwere Folgekosten durch Alkohol und Schädigung von Kindern

Nach Berechnungen des Instituts für Recht der Wirtschaft der Universität Hamburg summieren sich die volkswirtschaftlichen Schäden des Alkoholkonsums in Deutschland jährlich auf ca. 40 Milliarden Euro. Das ist mehr als das Zwölffache dessen, was der deutsche Fiskus pro Jahr an Alkoholsteuer einnimmt. In dieser Rechnung sind die Kosten, die durch die Schädigung von Kindern infolge des Aufwachsens in suchtbelasteten Familien entstehen, noch nicht eingerechnet. Dr. Tobias Effertz von der Universität Hamburg lokalisiert diese Kosten in erster Linie bei den hohen lebenslangen Erkrankungsrisiken, die diese Kinder tragen. So ist das Risiko von Kindern alkoholkranker Eltern, im Laufe ihres Lebens an Affektstörungen wie z. B. Depressionen zu erkranken um 25% höher als bei Kindern aus nichtsüchtigen Familien. Bei Schizophrenie liegt das Risiko für Alkoholikerkinder um 116% höher. Für die Behandlung dieser Krankheitsbilder entstehen den Krankenkassen jährlich Kosten in Milliardenhöhe.

Die Politik ist in der Verantwortung:
Nach zehn Jahren Untätigkeit muss gehandelt werden

Hinter diesen Zahlen verbirgt sich millionenfaches menschliches Leid: zerstörte Kindheiten, zerstörte Biografien, zerstörte Familien. Die Initiatoren der Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien fordern den Gesetzgeber und alle Verantwortlichen in Politik und Verwaltung auf, aus diesen Zahlen und aus Verantwortung für die heranwachsende Generation die naheliegenden Schlussfolgerungen zu ziehen:

Unterstützungsangebote für Kinder aus Suchtfamilien müssen Teil der Regelversorgung werden. Sie sind flächendeckend auszubauen und angemessen zu finanzieren.

Suchtprävention in Schule und Kindergarten muss flächendeckend gestärkt werden. Die Mitarbeiter/innen müssen durch Aus- und Fortbildung befähigt werden, Kinder aus suchtbelasteten Familien erkennen, verstehen und unterstützen zu können.

Die Reduzierung des Alkoholkonsums muss in die Liste der Gesundheitsziele im Bundes-Präventionsgesetz aufgenommen werden.

Das Wissen um die Unterstützungsmöglichkeiten für Kinder aus suchtbelasteten Familien muss verpflichtend Ausbildungsinhalt für die pädagogischen, medizinischen und sozialen Berufe werden.

Die auf einer Fachtagung des Bundesgesundheitsministeriums im Jahre 2003 verabschiedeten “10 Eckpunkte zur Verbesserung der Situation von Kindern aus suchtbelasteten Familien“ müssen nach über zehn Jahren Untätigkeit seitens der Politik endlich in Bund, Ländern und Gemeinden umgesetzt werden (siehe Anhang).

Die Aktionswoche läuft zeitgleich mit der „Children of Alcoholics Week“ in den USA und in Großbri­tannien. Sie steht in Deutschland unter der Schirmherrschaft der Schau­spielerin Katrin Sass. Die Aktionswoche wird gefördert von der BARMER GEK.

Nachricht von NACOA

 


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