02.06.2008 Hamburg

Alkoholpolitisches Statement zum Weltdrogentag 2008

Jugendliche, die mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden, "Flatrate-Partys", hoher Alkoholkonsum auch bei Minderjährigen, zunehmende Gewaltbereitschaft schon im Teenageralter... Diese Medienmeldungen gehören inzwischen zum Alltag und werden demzufolge immer weniger thematisiert und diskutiert. Zum Weltdrogentag sollten sie wieder mehr Aufmerksamkeit in Öffentlichkeit und Politik bekommen und dazu anregen, den Umgang mit Drogen jeglicher Art in der Gesellschaft zu überdenken.

Juvente, die Jugendabteilung der Guttempler in Deutschland, trägt – der Zielsetzung Frieden, Freundschaft, Unabhängigkeit folgend – durch ehrenamtliche Arbeit zur Suchtprävention bei. Wir bieten Kindern und Jugendlichen eine drogenfreie Plattform, auf der sie sich ungezwungen unter Gleichaltrigen bewegen und durch die Einbindung in Entscheidungsprozesse ihr Demokratieverständnis schulen können. Außerdem werden sie animiert, Sachverhalte differenziert und unvoreingenommen zu betrachten, und sich eine eigene Meinung zu bilden. Wir wollen junge Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu mündigen, selbstbestimmten Bürgern unterstützen. Dabei ist Abstinenz von Drogen (zu denen Alkohol per Definition¹ auch zählt) für uns selbstver­ständ­lich.

Zur Gewährleistung des Rechtes auf Freiheit und persönliche Entwicklung ist eine Lebensführung ohne Suchtmittel erstrebenswert. Doch das in Deutschland – nach Nikotin – am weitesten verbreitete Suchtmittel ist Alkohol. Laut dem Bericht „Alkohol in Europa“ für die Europäische Kommission lässt sich der durch Alkoholkonsum entstehende Sachschaden beziffern. Neben dem rein volkswirtschaft­lichen Schaden, welcher in Europa im Jahr 2003 auf eine Höhe von 33 Mrd. € geschätzt wird, sind es aber auch die persönlichen und sozialen Defizite, die durch langjährigen, oft in der Kindheit und Jugend beginnenden Konsum entstehen, deren Schaden man in Europa auch im zweistelligen Milliardenbereich vermutet. Trotzdem ist Alkohol als „Genussmittel“ gesellschaftlich voll etabliert. Besonders Jugendliche sind den Gefahren des Alkohols durch gesellschaftlichenDruck und mangelnde Aufklärung beinahe schutzlos ausgesetzt.

Auf junge Menschen fällt ein unverhältnismäßig großer Teil der alkoholbedingten negativen Auswirkungen. 10% der Mortalität bei weiblichen Jugendlichen und 25% der Mortalität bei männlichen Jugendlichen wird durch Alkoholkonsum verursacht. Es gibt wenige Informationen über das Ausmaß der negativen sozialen Auswirkungen auf junge Leute. Allerdings berichten 6% der 15-16jährigen Schüler alkoholbedingt in tätliche Auseinandersetzungen verwickelt gewesen zu sein und 4% hatten alkoholbedingt ungeschützten Geschlechtsverkehr. [...]“ ²

Deshalb fordert Juvente eine striktere Alkoholkontrollpolitik in Deutschland, besonders in Verbindung mit dem Jugendschutzgesetz. Doch ein solches Gesetz allein als Lösung des Problems anzusehen, wäre kurzsichtig, naiv und opportunistisch. Denn ebenso vielschichtig, wie die Gründe des (über­mäßigen) Alkoholkonsums Jugendlicher sind, müssen auch die Lösungsansätze sein. Dies sind unter anderem folgende:

- Das Einstiegsalter muss so weit wie möglich nach oben verlagert werden.
- Das generelle Bewusstsein muss sich dahingehend verändern, dass Alkohol nicht mehr als
Genussmittel verharmlost wird, sondern dass die Gefahren, insbesondere das große Suchtpotential,
allgemein anerkannt werden.
- Erwachsene - insbesondere Eltern und Lehrer - müssen sich ihrer Vorbildfunktion bewusst und der
damit einhergehenden Verantwortung gerecht werden.
- Die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten zur Vorbeugung sowie Ahndung der unverantwortlichen
Alkohol-Abgabe an Minderjährige müssen endlich konsequentausgeschöpft werden.
- Jugendliche müssen in die Lage versetzt werden, sich dem oft sehr starken Gruppenzwang unter
Gleichaltrigen widersetzen und „ihre eigene“ Entscheidung treffen zu können.

1995 unterzeichneten die Gesundheitsminister der europäischen Mitgliedsstaaten der WHO die Europäische Charta Alkohol, welche „Leitprinzipien und Zielvorgaben zur Förderung und zum Schutz der Gesundheit und des Wohlergehens aller Bürger in der Region“³ enthält, deren Umsetzung nicht länger auf sich warten lassen darf. Um gerade der Notwendigkeit von verantwortungsvollem, nachhaltigem und langfristig effektivem Jugendschutz gerecht zu werden, fordern wir schnellstmöglich:

- eine Altersbeschränkung, welche die Abgabe jeglicher alkoholhaltiger Getränke ausschließlich an
Volljährige ermöglicht.
- die Einschränkung der freien Verfügbarkeit von Alkohol zur besseren Kontrolle der Einhaltung der
Altersbeschränkung.
- eine Preisbindung zur Verhinderung von zum Trinken animierender Sonderangebote.
- ein allgemeines Werbeverbot für alkoholhaltige Getränke.
- eine umfassende Sensibilisierung von Jugendlichen, Eltern und Lehrern für Alkohol-
konsum, -Gefahren, und -Missbrauch durch entsprechende Bildungsveranstaltungen.
- eine Prüfung, inwieweit eine juristische Gleichstellung zwischen Alkoholabgabe an Minderjährige und
fahrlässiger Körperverletzung möglich ist.
- den Ausbau der Förderung für präventiv tätige Nichtregierungsorganisationen (NGOs).

Alkohol ist und bleibt ein Nervengift mit hohem Suchtpotenzial und darf, trotz aller Kulturgeschichte,nicht länger als reines Konsumgut und Genussmittel verharmlost werden!

¹ Definition laut WHO: “Eine Droge ist eine Substanz, die dem lebenden Organismus zugeführt, eine odermehrere seiner Funktionen zu verändern mag.”
² Bericht Alkohol in Europa für die Europäische Kommission (2006, Institute for Alcohol Studies, UK)
³ Erklärung über Jugend und Alkohol zur Europäischen Charta Alkohol (2001, WHO)

© 2008 Juvente, Jugendabteilung der Guttempler in Deutschland

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